Dienstag, 9. September 2014

Quotenfrauen



Else Züblin

Quotenfrauen

Frauenquoten produzierten Quotenfrauen, sagt man - weshalb Winterthur darauf verzichtet.  Doch wie steht es um die Frauenförderung? Hat die Stadt ihre Hausaufgaben gemacht? Müsste sie mal über die Bücher gehen oder ist alles im grünen Bereich? Politisch ist die Exekutive mit einem Frauenanteil von rund 30 % wohl Schweizer Durchschnitt. Im Grossen Gemeinderat brachten es die Frauen auf gute
35 %. Auf 25 % kamen 2012 die weiblichen Vollzeitangestellten der Stadtverwaltung. Bei den kleinen Pensen unter 50 % dagegen schwangen sie mit 87 % oben aus. 

Was schliessen wir daraus? - Das Problem sei grundlegend, meint meine Freundin Sônia vage. – Fest steht, an exzellenten Frauen mangelte es in Winterthur nie. Nehmen wir Elsbeth Stagel. Sie amtete im 14. Jh. als Priorin des Klosters Töss und gilt als Autorin von 39 kurzen Nonnenbiografien. Ihr verdankt die Nachwelt Einblick in eine längst versunkene Zeit. Doch nicht genug: Die Stagel stand mit dem Konstanzer Mystiker Heinrich Seuse in regem Briefwechsel und soll als dessen Ghostwriterin mitverantwortlich für eine der ersten deutschen Autobiografien sein.  

Ein überdurchschnittlich wacher Geist zeichnete auch Anna Barbara Reinhart (1730 - 96) aus. Es war ein Reitunfall der ihr Talent zutage brachte. Ihre Verletzungen verlangten die regelmässige Konsultation des Arztes. Dieser stellte schon bald eine Zweit-Diagnose: mathematische Hochbegabung. Der Arzt wurde kurzum Annas Lehrer, den sie aber bald überflügelte. Ihre Kenntnisse in Latein und Französisch erschlossen ihr Fachbücher, die sie studierte als wäre es Erbauungsliteratur. Selbst vor Isaac Newton machte sie nicht Halt, worauf der Arzt ihr - nie um eine Diagnose verlegen - einen „Newtonschen Geist“ bescheinigte. Derweil blieb Jungfer Reinhart bescheiden, tat sich durch keine Veröffentlichungen hervor, sondern gab ihr Wissen als Privatlehrerin und -korrespondentin weiter, um dann, am Ende ihrer Tage, „in unbeschreiblichem Entzücken, ob all den Herrlichkeiten“, die sie erwartete, zu sterben. 

Oder denken wir an Dr. h.c. Else Züblin (1881 – 1948). Als Hotelrezeptionistin, Journalistin und begnadete Organisatorin, vereinigte sie alles in ihrer Person, was notwendig war, um sich nachhaltig für das Volkswohl einzusetzen. Während des Ersten Weltkriegs sagte sie dem Alkoholismus den Kampf an und gründete rund 700 Soldatenstuben. Hier konnten Wehrmänner Softdrinks und gesundes Essen konsumieren. Eine Pionierleistung, die nach Kriegsende weitere Kreise zog. Dank der Gründung des Schweizer Volksdienstes (heuteSV-Group) kamen bald auch Betriebskantinen in den Genuss gesunder Kost. - All das sollten Sie bedenken, wenn Sie - und nun mit dem nötigen Respekt - das nächste Mal durch die Else-Züblin-, die Anna-Barbara-Reinhart-Strasse oder den Elisabethenweg gehen.

Ein schnörkelloses Kapitel Stadtgeschichte erwartet Sie hier am 19.9.!

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