Donnerstag, 28. August 2014

Pünt und Politik

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Pünt und Politik

Was liegt Ihnen näher: Politik oder Pünt? Wenn Sie nicht aus Winterthur sind, ist es vermutlich Politik, weil Ihnen Pünt nichts sagt. Für Politik spräche, dass „Politik die
Gesamtheit aller Interaktionen definiert, die auf die autoritative (durch eine anerkannte Gewalt allgemein verbindliche) Verteilung von Werten (materielle wie Geld oder nichtmaterielle wie Demokratie) abzielen“. Wenn Sie jetzt doch Pünt vorziehen, wählen Sie damit einen typischen Winterthurer Ausdruck. 

Das jedenfalls glauben Eingesessene. Das Schweizer Idiotikon – das übrigens nicht das Nachschlagewerk für Idioten, sondern Wörterbuch des Schweizerdeutschen ist - klärt uns jedoch auf, dass das Wort Pünt oder Bünt auch andernorts gebräuchlich ist, und zwar als Bezeichnung für ein bewirtschaftetes, eingezäuntes Grundstück, das in der Nähe von Wohnhäusern liegt. Aha, denken Sie: ein Schrebergarten. 

Aber so einfach ist es nicht: Denn während Letztere dem Arzt Moritz Schreber und der Gesundheitsbewegung um 1900 zu verdanken sind, reicht die Geschichte der Winterthurer Pünten ins 15. Jh. zurück. Damals nämlich legten sich die kleinen Gärten wie ein Kranz um die Altstadt und versorgten die Bürger mit Gemüse. Eine Aufgabe, die sie in der Anbauschlacht des Zweiten Weltkriegs nochmals zu erfüllen hatten. Danach gelangten sie für Jahrzehnte in die fürsorglichen Hände von Einwandererfamilien und damit etwas in Vergessenheit. 

Doch seit das Urban Gardening boomt, sind Pünten wieder hip. Und da in Winterthur auf 1000 Einwohner 3 Gärten kommen, was ein Total von 3000 Pünten ausmacht, darf sich Winterthur mit Fug und Recht als Gartenstadt bezeichnen. Allerdings ist diese Idylle etwas getrübt, seit die Stadt als Vermieterin ihren Pächtern Auflagen zur baulichen Gestaltung macht und seit feststeht, dass ein Teil der Pünten überbaut werden soll. – Dafür habe man ja neue Gärten auf dem Stinkberg, wendet meine Freundin Sônia ein. - 

Nicht Winterthurerinnen werden ob des Namens die Nase rümpfen, Winterthurer wohl einfach die Achseln zucken. Denn der Stinkberg, der übrigens in keinem Flurnamenregister zu finden ist, birgt ein unappetitliches Kapitel. Hier befand sich unter dem beschönigenden Namen Riet während fast 100 Jahren die grösste Mülldeponie der Stadt. In ihren „besten“ Zeiten bediente sie ein Einzugsgebiet von 40 Gemeinden. 1984 hatte sich ein Berg von 30 m Höhe und 1,2 Mio. Kubikmeter Abfall angesammelt. Ein Zustand, den man mit der Sanierung von 2005 zu beheben suchte, um dann auf den Schichten von Haushaltkehricht, Multikomponentendeponie, Bauschutt, Schlacken und Grünabfällen Gemüse anzubauen. - 

Vielleicht brauche es auch in der Politik etwas mehr Grün, meint meine Freundin Sônia lakonisch. Wer weiss das schon? Insgesamt erscheint das Parlament als bunte Truppe, wo 60 Mitglieder auf 11 Parteien verteilt, das politische Feld bepflügen - immer in der Hoffnung, bei den nächsten Wahlen ernten zu können. 

Winterthur und die Frauen - das ist einen Post wert: am 9.9.2014

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