Montag, 1. Dezember 2014

Velostadt



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Velostadt

Viele kennen wohl den Prix Walo, jene Trophäe, welche jährlich für besondere Leistungen im Schweizer Showbiz  verliehen wird. Wenige scheinen aber zu wissen, dass es auch einen Prix Velo gibt. Dieser wird sinnigerweise von Pro Velo verliehen
und hat den Vorteil, dass er kein abendfüllendes  Programm für sich beansprucht. Der Prix Velo ist in drei Sparten zu haben und … – Ob ihres wohl prämiert würde, will meine Freundin Sônia wissen. Sie fährt in der Tat ein Vehikel, das an Originalität keine Wünsche offen lässt. Nur leider ist von Pro Velo just dafür keine Kategorie vorgesehen. 

Zudem ging der Preis 2005 schon einmal nach Winterthur, und zwar als Anerkennung für die „langfristige und umfassende Velopolitik“ der Stadt. Besonders beeindruckt war die Jury von der Gesamtlänge der Radwege, die beachtliche 175 km aufweist und vom Gesamtkonzept, das provisorisch zwei Velolifte verzeichnete. Diese sucht man heute allerdings vergebens, denn „Konzept“ und „provisorisch“ lassen einen gewissen Handlungsspielraum zu. Wer also realiter mit einem Velolift hätte Bekanntschaft machen wollen, der hätte vor 2012 in die norwegische Stadt Trondheim reisen müssen, wo ein solcher nach 19 Betriebsjahren aus Sicherheitsgründen abgebaut wurde. Winterthur hatte jedenfalls nie einen Velolift, und so führt der entsprechende Link der städtischen Website zu einem unmissverständlichen „Error“. 

Soviel zur Theorie. In der Praxis bewährt haben sich dagegen die Velostationen am Hauptbahnhof. Diese Parkhäuser für Velos stellen über 1000 Plätze bereit, wo Zweiräder gegen Gebühr geparkt werden können. Gerade bei Pendlern sind die Plätze beliebt, und damit die Velos nicht in falsche Hände geraten, werden sie von 25 Personen eines Integrationsprojekts bewacht. 

Dass Winterthur als Velostadt bezeichnet wird, verdankt die Stadt also konsequenter Förderung, soll aber auch Tradition haben. So wird berichtet, dass früher bei Arbeitsende Scharen von Velofahrenden aus den Fabriken strömten. Und heute? Auf dem Velo unterwegs zu sein, gehört in Winterthur zum guten Ton. Rüder ist der Ton allerdings im täglichen Strassenverkehr. Hier herrscht ein Habitus jenseits von Höflichkeit und Verkehrsregeln. Darauf muss man vorbereitet sein, wenn man sich in Winterthur auf den Velosattel schwingt. 

Ich kaufte also vorsichtshalber meinen ersten Velohelm, erkundete einen heissen Sommermonat lang die entleerten Strassen und wusste dann, wie man ungestraft einen Rechtsvortritt erzwingt, am schnellsten die Fussgängerzone passiert und wo man gefahrlos die Füsse aus dem Pedal nehmen kann, ohne von Schnellfahrern beschimpft zu werden. Alles in allem eine Erfolgsgeschichte. Nur leider kam mir dann mein Velo abhanden, sodass ich es als vermisst melden musste. – Du meinst es wurde gestohlen, meint meine Freundin Sônia. - Jedenfalls hat sie jetzt meinen Velohelm.

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