Dienstag, 28. Oktober 2014

Technikum



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Technikum

Es war ein Gärtner, der 1851 die erste grosse Weltausstellung und damit das ganze Britische Empire vor einer Blamage rettete, die der Schau drohte, noch bevor sie überhaupt begonnen hatte.
Niemand hatte es nämlich fertiggebracht, ein Ausstellungsgebäude zu kreieren, das den Anforderungen der gigantischen Schau genügt hätte. 

Dann tauchte ein Projekt auf, das alles Bisherige auf den Kopf stellte. Joseph Paxtons Entwurf war ein Treibhaus, wie es die Welt aus Gärten und Parks kannte, nur dass dieses eine ganze Allee überdachen konnte. Paxton be-nötigte für seine Halle keine herkömmlichen Baumaterialien, sondern setzte auf ganz neue Technologien: standardisiertes Glas und Gusseisen, das er vorfabrizieren liess. Man baute nicht, sondern montierte. Nach 35 Wochen stand der CrystalPalace - ein Meisterwerk der Technik. - Und wo da Winterthur ins Spiel komme, will meine brasilianische Freundin wissen. - Ganz einfach: Die Zeichen der Zeit erkannte damals der Ingenieur, Mathematiklehrer und spätere Direktor des Winterthurer Technikums, Friedrich Autenheimer. Er reklamierte seit Langem fehlende technische Kader- und Fachleute und forderte „ein Technikum für die Schweiz“. 

1877 war es so weit: Das erste Schweizer Technikum wurde in Winterthur nach den Plänen von Theodor Gohl gebaut. Hier war der Boden von den Industriebetrieben vorbereitet, der Pioniergeist sowie die Nachfrage nach entsprechenden Berufsleuten vorhanden. Neben Klassen für Bau- und Maschinentechniker führte das Technikum auch eine Handels-, Kunst- und Geometerschule. Später kamen Elektro-, Tiefbautechnik und Chemie dazu. Und so kam das Technikum 1901 auch zu seinem berühmtesten Dozenten aller Zeiten, zu Albert Einstein. Der 22-Jährige war nur für wenige Monate als Chemielehrer vor Ort tätig, denn auf das Genie warteten das Berner Patentamt und die Entdeckung der Relativitätstheorie. 

Doch auch das Technikum entwickelte sich weiter. Manche Abteilungen kamen hinzu, andere verschwanden wieder, bauliche Veränderungen mussten vorgenommen werden, und immer wieder galt es, das Ansehen der Ausbildung zu verteidigen und gegenüber andern Schulen durchzusetzen. 1968 war es dann tatsächlich bedroht, nicht als Institution, auch nicht wegen Studentenunruhen – die scheint es in Winterthur nicht gegeben zu haben -, aber wegen eines Brandes, der die Aula völlig zerstörte. Menschenleben waren nicht zu beklagen. 

Der Wiederaufbau unter dem Namen „Erweiterung Technikum Süd“ wurde sofort in Angriff genommen und 1979 fertiggestellt. In den 1990er-Jahren wurde das Technikum zur Fachhochschule um- und ausgebaut und sprengt heute als Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaft mit fünf Departementen und rund 8‘000 Studierenden längst den Rahmen des Gründerbaus. Und so hat das alte Technikum an der nach ihm benannten Strasse auch nach fast 140 Jahren noch allen Grund, so breitspurig dazustehen.

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